FLIEGERÄRZTLICHE UNTERSUCHUNG

© Mag. Enrico GabrielDr. Schlosser ist fliegerärztlicher Sachverständiger und Mitglied der österreichischen Flugakademie (Ernennungsdekret Austro Control). Derzeit wird die fliegerärztliche Untersuchung bei uns für die Klasse II nach den Richtlinien der österreichi-schen ZLFPV durchgeführt und umfas-st die Untersuchung von Flugschülern, Segelfliegern, Motorseglern, Paraglei-tern, Hängegleitern, Fallschrimsprin-gern, Hubschrauberpiloten, Ballon-fahrern und Privatpiloten (PPL). Nach Einführung der JAR-FCL-3-Med durch den Gesetzgeber wird die Untersu-chung speziell für Privatpiloten europaweit vereinheitlicht nach
diesen Richtlinien durchgeführt.

Die Untersuchung erfolgt nach vorgegebenen Richtlinien, Grundlage ist ein adaptierter Basischeck mit der Möglichkeit einer erweiterten Vorsorgeuntersuchung (auf persönlichen Wunsch). Bestandteile der Untersuchung sind ein EKG (Ruhe, während und nach Belastung), eine Spirometrie (graphische Aufarbeitung) bzw. eine Ergometrie (standardisierter Submaximaltest).

Um minimale Wartezeiten garantieren zu können ist eine telefo-nische Terminvereinbarung verpflichtend, alle fachärztlichen Befunde der letzten 2 Jahre sind mitzubringen. Unbedingt notwendig ist auch ein Augenarztbefund bei Fehlsichtigkeit (Dioptrienanzahl, Brillenverordnung, Kontaktlinsenverträglichkeit, etc).

Die Tauglichkeitskriterien für Privatpiloten entsprechen nach den meisten Kriterien denen für Führerscheinwerber. Nur bei Berufs-piloten müssen, um den höheren Anforderungen gerecht zu werden, strengere Maßstäbe angelegt werden.

Untauglichkeit besteht in jedem Fall für Klasse 1 & 2 bei/nach:

  • Angina pectoris
  • Hypertonie über 160/95
  • extremer Fettsucht
  • Epilepsie unklaren Anfällen von Bewusstseinsverlust
  • psychotischen Erkrankungen (Schizophrenie, schwere Depression)
  • schweren Persönlichkeitsstörungen
  • insulinpflichtigem Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Alkoholismus
  • Suchterkrankungen
  • Blutgerinnungsstörungen (angeboren oder medikamentös)

 

Folgende Beeinträchtigungen der einzelnen Organsysteme ziehen zumindest Einschränkungen der Tauglichkeit nach sich:

Herz/Kreislaufsystem:

Blutdruck: Klasse 1 und 2: untauglich, wenn behandelt oder unbehandelt dauernd über 160/95

Koronare Herzerkrankung:

  • Klasse 1 und 2: Angina pectoris: untauglich
  • nach Herzinfarkt: untauglich, unter gewissen Voraussetzungen kann durch die Behörde Tauglichkeit festgestellt werden
  • Bypass-OP oder PTCA: untauglich, unter gewissen Voraus-setzungen kann frühestens nach 9 Monaten durch die Behörde Tauglichkeit festgestellt werden

Rhythmus- und Überleitungsstörungen:

  • Klasse 1 und 2: signifikante anfallsweise oder permanente Vorhof-Rhythmusstörungen, Prä-Exzitation
  • Herzschrittmacher: untauglich, ev. Freigabe nach fachkardiologischer Beurteilung
  • angeborene Herzfehler vor und nach OP
  • Herzklappenoperationen: Klasse 1 und 2: untauglich, ev. Freigabe durch die Behörde bei nur geringen Veränderungen bzw. in günstigen Fällen nach fachkardiologischer Beurteilung

Lunge und Atmung:

Klasse 1 und 2: untauglich bei chron. obstruktiven Lungener-krankungen, Sarkoidose, eventuell tauglich bei behandeltem Asthma bronchiale, nach Spontanpneumothorax, 3 Monate nach Thorax-OP nach Beurteilung durch Behörde

Magen-Darm-Trakt:

Klasse 1 und 2: bei oder nach Magenerkrankungen, Gallensteinen, Pankreatitis, Darmerkrankungen, Brüchen, operativen Eingriffen muss die Tauglichkeit individuell festgestellt werden. Jedenfalls darf keine Störung vorliegen, die die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnte.

Stoffwechsel, Ernährung, innere Sekretion:

Klasse 1 und 2: untauglich bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus, extremer Fettsucht. Jedenfalls darf keine Störung vorliegen, die die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnte.

Blut und Blutbildung:

Sichelzellanämie, signifikante Lymphknotenvergrösserungen, Leukämie, deutliche Milzvergrösserung, signifikante Polyzythämie, Blutgerinnungsstörungen: Klasse 1 und 2: Untauglichkeit, unter gewissen Voraussetzungen eventuell tauglich. Jedenfalls darf keine Störung vorliegen, die die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnte.

Niere und Harntrakt:

organische Nierenerkrankungen, Steinbildung, Erkrankungs- oder OP-Folgen, die Handlungsunfähigkeit bewirken könnten, 3 Monate nach chir. Eingriffen: Klasse 1 und 2: Untauglichkeit, unter gewissen Voraussetzungen eventuell tauglich. Jedenfalls darf keine Störung vorliegen, die die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnte.

Geschlechts- und andere Infektionserkrankungen:

Klasse 1 und 2: Es dürfen weder in der Krankheitsgeschichte noch aktuell Erkrankungen vorliegen, die die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnten. Insbesonders ist auf Vorgeschichte oder Verdachtsdiagnose folgender Erkran-kungen zu achten: positiver HIV-Test, Beeinträchtigung des Immunsystems, infektiöse Hepatitis, Syphilis

Gynäkologie und Geburtshilfe:

  • schwere therapieresistente Menstruationsstörungen, 3 Monate nach grösseren gynäkologischen Operationen: Klasse 1 und 2: Untauglichkeit.
  • Schwangerschaft: Klasse 1 und 2: Untauglichkeit; bei Bestätigung eines normalem Verlaufes Tauglichkeit bis zum Ende der 26. Woche

Bewegungsapparat:

Klasse 1 und 2: Untauglichkeit besteht bei nicht genügender Sitz-höhe, ausreichender Länge von Armen und Beinen, erforderlicher Muskelkraft, signifikanten Erkrankungs- oder Verletzungsfolgen sowie angeborenen Veränderungen an Knochen, Gelenken, Muskeln oder Sehnen, die die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnten.

Psychiatrische Erkrankungen:

Klasse 1 und 2: Untauglichkeit besteht bei in der Vorgeschichte oder aktuell bestehenden akuten oder chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder Normabweichungen, welche die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnten, insbesondere ist auf folgende Diagnosen besonders zu achten:

  • psychotische Symptome
  • affektive Störungen
  • schwere Persönlichkeitsstörungen, die zu offensichtlichen Rechtsverletzungen geführt haben
  • sonstige psychische Störungen und Neurosen
  • Alkoholismus
  • Einnahme oder Missbrauch von Medikamenten oder anderen Substanzen mit oder ohne Abhängigkeit

Neurologische Erkrankungen:

Klasse 1 und 2: Untauglichkeit besteht bei in der Vorgeschichte oder aktuell bestehenden neurologischen Besonderheiten, welche die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnten, insbesondere ist auf folgende Diagnosen besonders zu achten: progressive Erkrankungen des Nervensys-tems, Epilepsie und andere anfallsartige Störungen, Erkrankungen mit hoher Neigung zu Hirnfunktionsstörungen, Störungen oder Verlust des Bewusstseins, Schädel/Hirntrauma.

Sehorgan - Sehvermögen:

Klasse 1: unkorrigiert oder korrigiert jedes Auge für sich Visus mindestens 0,7, bei beidäugigem Sehen 1,0; bei der Erstunter-suchung nicht mehr als +/- 3 Dioptrien, bei Verlängerungsunter-suchung, wenn stabil, +3/-5 Dioptrien; Astigmatismus nicht mehr als 2 Dioptrien, Unterschied zwischen beiden Augen nicht mehr als 2 Dioptrien.

Klasse 2 unkorrigiert oder korrigiert jedes Auge für sich Visus mindestens 0,5, bei beidäugigem Sehen 1,0; wenn bei der Erstuntersuchung mehr als +/- 5 Dioptrien ist eine umfassende augenfachärztliche Untersuchung notwendig; Astigmatismus nicht mehr als 3 Dioptrien, Unterschied zwischen beiden Augen nicht mehr als 3 Dioptrien.

Klasse 1 und 2: Alterssichtigkeit und ev. sonstige Störungen des Sehvermögens müssen durch eine einzige entsprechende Brille korrigiert sein, weiters dürfen nicht vorliegen: signifikante Beeinträchtigungen des Binokularsehens, Doppelbilder, nicht ausreichende Konvergenz, beeinträchtigtes Gesichtsfeld.

Farbensehen:

Klasse 1 und 2: Untauglichkeit besteht bei nicht normalem Farb-tafeltest oder Anomaloskopuntersuchung oder bei nicht farbsich-erem Sehen gemäss Untersuchungen mit zusätzlichen Methoden (Anomaloskop). Klasse 2: nicht farbsichere Bewerber können für Flüge innerhalb der JAA-Mitgliedstaaten, nach Sichtflugregeln und bei Tag als tauglich eingestuft werden.

Hals, Nase, Ohren:

Klasse 1 und 2: Untauglichkeit besteht bei aktiven, akuten oder chronischen Affektionen im Innen- oder Mittelohr, nicht verheilten Perforationen oder Fehlfunktion des Trommelfelles, vestibulären (Gleichgewichts), Funktionsstörungen, signifikanten Behinderungen der Nasenatmung auf jeder Seite oder Funktionsstörungen der Nasennebenhöhlen, deutlichen Missbildungen, signifikante akute oder chron. Infektionen der Mundhöhle oder oberen Luftwege, deutliche Stimm- oder Sprachstörungen.

Hörvermögen:

  • Klasse 1 und 2: Umgangssprache muss vom Bewerber mit jedem Ohr einzeln und mit dem Rücken zum Untersucher aus 2 m einwandfrei verstanden werden
  • Schwerhörige Bewerber können als tauglich eingestuft werden, wenn die Sprachaudiometrie ein zufriedenstellendes Hörvermögen ergibt.

Psychologische Begutachtung:

Klasse 1 und 2: Bewerber dürfen keine psychologischen Mängel, welche die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnten, bei entsprechender Indikation ist eine psychologische Begutachtung bei einem von der Behörde anerkannten Fachmann einzuleiten.

Hautkrankheiten:

Klasse 1 und 2: Bewerber dürfen keine Hautkrankheiten aufweisen, welche die sichere Ausübung der mit der Lizenz verbundenen Rechte gefährden könnten, insbesondere ist auf folgende Diagnosen besonders zu achten:

  • Ekzem
  • schwere Psoriasis
  • bakterielle Infektionen
  • Arzneimittelexantheme
  • bullöse Dermatosen
  • bösartige Erkrankungen der Haut
  • Urticaria





Reisemedizinische Fachbegriffe